Menschenrechte – aber nicht für jede
VERANSTALTUNGSREIHE "DIE MACHT DER WORTE" MIT DR. CHRISTIANE FLORIN
FRANKFURT | Die Luft mitten in Frankfurt ist an diesem Abend noch spätsommerlich warm, die Atmosphäre rund um das Haus am Dom heiter und gelöst. Passanten schlendern, Weingläser klirren. Aber drinnen, im Großen Saal des Hauses, geht es geradezu hitzig her. Denn eine streitbare, kluge und äußerst sprachfertige Frau ist zu Gast bei der Gesprächsreihe „Die Macht der Worte“ der Katholischen Erwachsenenbildung Frankfurt (KEB): Dr. Christiane Florin.
Tiefsitzende Frauenverachtung
„Frauen sind minderwertig – dieses Argument hat jahrelang gegolten“, analysiert die Journalistin und Autorin gleich eingangs die Tatsache, dass Frauen von Weiheämtern in der Katholischen Kirche und damit von der Ausübung von Macht ferngehalten werden.
Florin führt weiter aus, der katholischen Lehre liege eine tiefe Frauenverachtung zugrunde. „Nachdem das dann aber in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts selbst für die Katholische Kirche nicht mehr ging, hat man sich Pseudoargumente ausgedacht, die bis heute immer wiederholt werden“. Sie zählt diese auf: Jesus war ein Mann, die Apostel waren Männer, der Priester repräsentiert Christus auch in seiner Geschlechtlichkeit und letztlich – es war nie anders. Also kann auch nur ein Mann die Weihe empfangen! Florin stellt klar, dass alle Religionen Frauen im Kern diskriminieren - aber zu echter Gleichberechtigung gehöre grundlegend, dass Frauen zu sämtlichen Ämtern Zugang haben und dort auch die Fehler machen können, die Männer machen. Krieg, Machtmissbrauch und weitere schlimme Auswüchse gebe es dann weiterhin, denn Frauen sind nicht bessere Menschen, stellt die Journalistin klar. Auch das Argument, dass sich die Katholische Kirche der Ressourcen der Frauen quasi selbst beraube, wischt sie vom Tisch. Gleichberechtigung sei ein essenzielles Menschenrecht das immer gelte, und zwar vollkommen unabhängig davon, ob die Teilhabe an Macht der Institution Kirche konkreten Nutzen bringe.
Naturrecht?
In der Katholischen Kirche komme als Besonderheit noch das „Naturrecht“ hinzu, nachdem das Geschlecht nicht irgendein Merkmal ist wie andere Merkmale auch. In den 1980er Jahre habe Papst Johannes Paul II. zwei Bestimmungen für Frauen festgeschrieben: die geistige Fruchtbarkeit als Ordensfrau und die physische Fruchtbarkeit als Mutter und Ehefrau. „Ich weiß natürlich, dass reformorientierte Katholikinnen und Katholiken das nicht glauben, aber die Glaubenssätze sind so. Eigentlich muss man das glauben“, so Florin.
Warum ist sie ausgetreten?
Viele Katholikinnen und Katholiken stellen aber nicht die Glaubenssätze in den Mittelpunkt, beobachtet die promovierte Politikwissenschaftlerin. Sie sind und bleiben in der Kirche „als Körperschaft des öffentlichen Rechts“, weil es um Gemeinschaft und Zugehörigkeit geht, so Florin weiter. Ob sie selbst noch „in der Kirche“ wäre, wenn sie einen anderen Beruf hätte, fragt sie sich, um direkt selbst zu resümieren, dass ihr Kirchenaustritt vor einem Jahr sehr stark mit der Recherchearbeit rund um das Thema sexualisierte Gewalt zusammen hängt. Die innere Distanzierung sei schon länger vorhanden gewesen, aber letztlich sei sie ausgetreten wegen „den Lügen der Bischöfe“ und deren „Verachtung für Missbrauchsbetroffene“. Hier sei die Botschaft sehr klar, auf wessen Seite man zu stehen habe, wenn man sich Christ*in nenne.
Das gesamte Gespräch mit Dr. Christiane Florin können Sie hier sehen. Sie werden zu unserem YouTube Kanal weitergeleitet.
Bitte merken Sie sich schon den kommenden Termin der Veranstaltungsreihe vor. Am Mittwoch, 29. November 2023 um 19:30 Uhr ist Sven Burster zu Gast. Der Feuerwehrmann bewahrt die Ruhe, wenn alle andere in Panik geraten. Wenn „die Bude brennt“, ist klares Denken ist nicht mehr möglich. Gerade dann aber ist zielgerichtetes Handeln notwendig. Als Feuerwehrmann hat Sven Burster genau das gelernt: nicht nur Feuer löschen und Menschen retten, sondern auch mit konkreten Worten lenken, damit sie das Richtige tun. Menschen, dirigieren, leiten, führen aber auch mal kommandieren, das kann Leben retten. Hier wird die Macht der Worte ganz konkret fühlbar. Was machen diese „starken Worte“ mit ihm selbst? Wie findet man Klarheit und Struktur in Worten, wenn sie einem selbst gerade der Boden unter den Füßen wegbricht? Wie verleiht er seinen Worten Durchsetzungskraft?



